Höxter (red). Corvey – der Fixstern unter den Baudenkmälern und gottgeweihten Stätten, soll ein Leuchtturm als Glaubens-, Verkündigungs-, Kultur- und Geschichtsort bleiben. Welch unerschöpfliches Potenzial die ehemalige Benediktinerabtei und einzige Welterbestätte Westfalens für den Fortbestand ihrer exponierten Rolle besitzt, lotete jetzt auf Einladung von Pfarrdechant Dr. Hans-Bernd Krismanek eine bunt zusammengesetzte Konzeptgruppe aus. Moderiert von Pfarrer Günter Eickelmann (Erzbischöfliches Generalvikariat Paderborn) „sprudelte“ aus dem Quell unterschiedlicher Denkrichtungen eine Fülle vielseitiger Ideen.
Fragen hatte der Moderator mitgebracht. Fragen über Fragen. Fertige Konzepte? Fehlanzeige. Denn die Ideen für Corvey sollten aus der Gruppe selber kommen. Diese Rechnung ging auf: Mit seinem Fragenkatalog entlockte Pfarrer Eickelmann dem illustren Kreis sowohl strategische Leitlinien als auch konkrete Vorschläge für zielgruppenorientierte Angebote und aussichtsreiche Veranstaltungsformate. Eine Denkfabrik im besten Sinne!
Ein Bollwerk für Kontinuität
Die Flamme kreativer Dynamik zu entzünden – damit kennt Pfarrer Eickelmann sich aus. Der Geistliche ist im Generalvikariat im Ressort „Pastorale Planung und Entwicklung, Pastorale Orte und Gelegenheiten“ tätig und mit Konzeptentwicklung vertraut. Zwischen der Domstadt Paderborn und seinem seelsorglichen Einsatzort Lennestadt im südlichen Sauerland unterwegs, liegt das Welterbe am Weserstrand für ihn zwar nicht auf dem Weg. Trotzdem kennt und schätzt Günter Eickelmann die ehemalige Reichsabtei.
Seit 1200 Jahren atme dieser Ort Gebetskultur- und Glaubensgeschichte und sei ein Bollwerk für Kontinuität, sagt der Geistliche. „Dieses kann uns viel vom Glauben der Menschen durch die Jahrhunderte erzählen.“ Alles, was sie vor Gott bringen wollten, habe in Corvey immer seinen Platz gehabt. Ziel müsse jetzt sein, dass das Kloster auch künftig „ein Ort bleibt, der ein offenes Ohr für die Menschen hat“.
Menschen in ihren Lebenssituationen abholen
Wer diese Menschen sind, clusterte die Ideenwerkstatt auf Anregung des Moderators zunächst in Zielgruppen. Wissenschaftler, Touristen, Tagesausflügler, Gottesdienstbesucher, Gottsuchende, Brautpaare samt Hochzeitsgesellschaft, Firmbewerber, Kulturinteressierte. Sie mit Angeboten in ihren Lebenssituationen und Lebensthemen abzuholen – dazu entwarf die Konzeptgruppe vielerlei Denkanstöße.
Dem Kreis angehört haben Annika Pröbe (Standortleitung karolingisches Westwerk und Abteikirche Corvey), Dr. Holger Kempkens (Direktor des Erzbischöflichen Diözesanmuseums Paderborn und Leiter der Fachstelle Kunst), Dr. Peter Jochem (geistlicher Rektor in Hardehausen), Pater Werner Vullhorst (Benediktinerabtei Königsmünster in Meschede), Pfarrdechant Dr. Hans-Bernd Krismanek (Leiter des Pastoralverbunds Corvey und Pfarrverwalter von St. Stephanus und Vitus), Marcus Beverungen (Verwaltungsleiter des Pastoralverbunds Corvey), Carsten Sperling (Gemeindereferent), Marco Lämmchen (Messdiener-Leiterrunde, Mitglied des gemeinsamen Pfarrgemeinderats Höxter und Boffzen), Margit Streicher-Bönnighausen (Kirchenvorstand Albaxen, Schulleiterin der katholischen Petrischule Höxter), Nicole Raabe (Vorsitzende des gemeinsamen Pfarrgemeinderats Höxter und Boffzen), Annika Winkler (Gemeinderat Lüchtringen) und Hans-Hermann Jansen (Musiker, Netzwerk Klosterlandschaft OWL).
An großen Wegmarken den Glauben feiern
Ihnen allen lag auch daran, in Corvey christliche Botschaften auf verschiedenen Wegen erlebbar zu machen – und mit Kooperationspartnern wie der Abtei Königsmünster die mehr als 1000 Jahre währende benediktinische Spiritualität neu mit Leben zu erfüllen. Traditionelle Feste wie Vitus im Juni und die Ansgar-Vesper im Februar sollen Menschen ebenso zum Welterbe führen wie neue Formate – Lightroom Corvey beispielsweise. Die modernen Gottesdienste mit lebensnahen Glaubenszeugnissen haben drei erfolgreiche erste Auflagen erlebt.
An großen Wegmarken im Leben – Taufe, Erstkommunion, kirchliche Trauung – den Glauben feiern: Auch dazu kann Corvey eine charismatische Kulisse sein. Die Kirchenpforte soll aber auch offen stehen für Menschen, die zweifeln, die einsam sind, die einen Verlust betrauern oder auch Zukunftsangst haben: „Menschen sollen mit ihrem wirklichen Leben – mit Chaos, Fragen und Sehnsucht – vor Gott stehen können“, formulierte ein Mitglied der Ideenschmiede ein wichtiges Anliegen für Corvey. „Es gibt immer Hilfe und Hoffnung!“ – „Du bist nie allein.“ Diese Botschaften soll der durchbetete Ort am Weserbogen ausstrahlen.
Lebenspraktische biblische Weisheiten
Zu diesem Ziel passt eine Anregung aus dem Kreis der Konzeptgruppe: „Lebenspraktische biblische Weisheiten erlebbar machen“. Und ein konkreter Vorschlag: „touristische Führungen, die auch die spirituellen Aspekte einbeziehen“. Als Bildungsort für Schulen würde die Gruppe Corvey ebenfalls gerne leuchten sehen.
Nach weiteren Kooperationspartnern streckte der Kreis gedanklich auch die Fühler aus. Dazu gehören Bildungsträger wie die Volkshochschule, andere Museen in Höxter, Klöster, Heimatvereine, Touristiker, das Stadtarchiv, die Stadtarchäologie und nicht zuletzt das neu geknüpfte Netzwerk aus Wissenschaftlern und verschiedenen Institutionen.
Brainstorming im besten Sinne
An vielen Stellwänden rings um den großen Tisch in der Dechanei Höxter herum klebten am Ende eines produktiven Tages Dutzende gelber Zettel mit Ideen und Impulsen. Museumsdirektor Dr. Kempkens empfand den Tag als „Brainstorming im besten Sinne“ – weil aus unterschiedlichen Denk- und Blickrichtungen. Nicole Raabe hofft, dass Ideen von den Zetteln umgesetzt werden und dass sich neben Besucherinnen und Besuchern auch Menschen finden, die die ersonnenen Angebote mit vorbereiten.
In dieser Frage ist Moderator Günter Eickelmann – aus Erfahrung sprechend – zuversichtlich: Wenn die erörterten Themen sich herumsprechen, „werden sich Menschen engagieren, die wir jetzt noch gar nicht im Blick haben“. Hier liege großes Potenzial.
Begeisterung für Ort und Zielgruppen
Auch Pater Werner glaubt, „dass dieser Tag fruchtbar sein wird“. Wenn das, was die Gruppe entwickelt hat, „gerinnt“, könnten die vielen Anregungen eine gute Basis sein. Um die am Konzepttag gewonnenen Eindrücke zu festigen, werde er zwei Tage Corvey benötigen. „Ich kenne die Kirche, war aber jetzt länger nicht dort.“ Jetzt möchte der Ordensgeistliche die gesammelten Impulse vor Ort auf sich wirken lassen.
Für Pfarrdechant Dr. Hans-Bernd Krismanek hat die engagierte Runde verdeutlicht, „wie vieldimensional Corvey ist“. Zusammen mit Marcus Beverungen kündigte er an, dass die gemeinsam entwickelten Vorschläge und Denkansätze nun gesichtet, verschriftlicht und im Generalvikariat vorgestellt werden. Auch wenn bei der Fülle der Ideen-Zettel die Sorge naheliegt, dass man sich verzettelt, signalisierte der Moderator des Tages Zuversicht: „Ich spüre hier so viel Begeisterung für den Ort und die Zielgruppen.“ Daher werde vieles von dem, was an den Stellwänden hing, nicht nur auf dem Papier bleiben. „Dazu möchte ich Sie ausdrücklich ermutigen.“
Foto: Kirchengemeinde Corvey